ACTRIS Atmospheric Simulation Chamber Community (ASCC) Workshop und ATMO-ACCESS Projekttreffen
ACTRIS Atmospheric Simulation Chamber Community (ASCC) Workshop und ATMO-ACCESS Projekttreffen
In den Naturwissenschaften versucht man natürliche Phänomene mit den Methoden der Mathematik, also durch mathematische Gleichungen zu beschreiben. Eine der großen Herausforderungen stellt die Erkenntnis, dass sich sehr viele natürliche Prozesse zwar grundsätzlich in der Sprache der Mathematik beschreiben lassen, aber die resultierenden Gleichungen nicht analytisch, also mathematisch exakt, gelöst werden können, dar. Wenn prinzipiell keine exakte Lösung eines konkreten Problems möglich ist, muss man zu Näherungen und Vereinfachungen greifen. Man versucht sich der exakten Lösung durch geschickte Approximationsverfahren zu nähern. Diese diskreten Näherungsverfahren nennt man, da sie auf konkreten Berechnungen mit konkreten Zahlen basieren, numerische Verfahren.
In der theoretischen Chemie sind numerische Methoden schon lange das primäre Arbeitsmittel, aber auch für die physikalische Chemie werden sie immer wichtiger.
Klassische Problemstellungen sind hier beispielsweise die chemische Kinetik, z.B. die Analyse und Simulation des zeitlichen Verlaufs von komplexen chemischen Reaktionen und die Koppelung solcher kinetischer Rechnungen mit atmosphärischen Transport-Modellen.
In jüngerer Zeit erschließt unsere Arbeitsgruppe neue numerische Verfahren vor allem für die Methodenentwicklung in der Atmosphärendruckionisations (API) Massenspektrometrie. Typische Fragestellungen sind hier die Charakteristik von Gasströmungen (Fluiddynamik), die Bewegung von Ionen unter Atmosphärendruck und die Beschreibung typischer Reaktionsmechanismen in AP-Ionenquellen.
Die Bewegung von Ionen bei Atmosphärendruck ist nicht - wie im Vakuum - nur durch die vorhandenen elektrischen Felder bestimmt, sondern hängt durch die intensive Wechselwirkung mit dem umgebenden Gas auch stark von der vorherrschenden Strömungsdynamik ab.
Um die Bewegung von Ionen in Atmosphärendruck Ionenquellen und ähnlichen Systemen beschreiben zu können, sind daher auch Modelle der Strömungsdynamik (Computational Fluid Dynamics - CFD) nötig. Einfachere Strömungsmodelle erstellen wir in unserer Arbeitsgruppe selbst, während wir für aufwendigere CFD-Rechnungen mit Partnern, wie beispielsweise dem Institut für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen der RWTH-Aachen, zusammenarbeiten.
Auf der Basis dieser Simulationen können dann Berechnungen der diskreten Ionentrajektorien (Particle Tracing) oder der Ionenverteilung (mit Hilfe der Finite Elemente Methoden - FEM bzw. mit Finite Volumen Methoden) ausgeführt werden.
Da derartige numerische Simulationen allerdings nicht zwangsläufig im physikalischen Sinne valide Lösungen ergeben, ist die Verifikation der Ergebnisse eine ebenso wichtige Aufgabe wie die Simulation selbst.
Eine Möglichkeit der Verifikation von Strömungssimulationen ist die Particle Image Velocimetry (PIV), eine Methode die wir durch unsere Partnerschaft mit der RWTH-Aachen schon erfolgreich eingesetzt haben.
Kinetische Modellierungen werden in der Physikalischen und Theoretischen Chemie unter anderem für die Aufklärung von Reaktionsmechanismen von Ionen-Molekülreaktionen, wie sie in Atmosphärendruck-Ionenquellen auftreten, angewendet. Der zeitliche Verlauf der Reaktionen, die an den Ionentransformationsprozessen beteiligt sind, wird typischerweise als Differentialgleichungssystem beschrieben. Für die Lösung eines solchen Gleichungssystems müssen lediglich die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der beteiligten Reaktionen und die Konzentrationen der Ausgangsstoffe bekannt sein. Für eine bestimmte Reaktionszeit werden dann die Konzentrationen der Reaktionsprodukte berechnet. Diese werden anschließend mit den im Massenspektrum erhaltenen Signalintensitäten verglichen, um so den vorgeschlagenen Reaktionsmechanismus bestätigen oder ausschließen zu können.
Die numerische Beschreibung von Ionentransport im elektrischen Feld und unter dem Einfluss einer Strömung des umgebenden Gases lässt sich mit der Simulation der chemischen Reaktionsdynamik der Ionen kombinieren.
Zu diesem Zweck haben wir bestehende numerische Modelle (SIMION / SDS) um ein entsprechendes Modul erweitert. Die Beschreibung von reaktiven Ionen in der Gasphase in einem Computermodell erfordert, dass die relevanten chemischen Reaktionen, die ein Ion durchlaufen kann, bekannt sind. Daher erfordert eine vollständige Simulation der Dynamik von Ionen unter Atmosphärendruck-Bedingungen detailliertes Wissen, welches durch vorherige Forschung erlangt werden muss.
Für die Entwicklung und den Austausch rund um den Simulations Code (Reaction Simulation - RS) haben wir eine eigene Präsenz im Netz eingerichtet:
Ab initio Methoden werden in unserer Arbeitsgruppe dafür verwendet, Reaktionsmechanismen zu verifizieren. Die freie Reaktionsenthalpie einer Reaktion zeigt, ob eine Reaktion thermodynamisch erlaubt ist. Die Aktivierungsenergie zeigt, ob eine Reaktion kinetisch gehemmt ist. Mit ab initio Methoden können Moleküleigenschaften berechnet werden. Diese umfassen neben Eigenschaften wie Schwingungsfrequenzen und Bindungslängen auch die Bildungsenthalpien der Moleküle. Aus den Bildungsenthalpien können die freien Reaktionsenthalpien berechnet werden und so mögliche Reaktionen bestätigt oder widerlegt werden. Außerdem ist es möglich die Geometrie und Energie des Übergangszustandes einer Reaktion zu bestimmen und so neben der Aktivierungsenergie auch Informationen über den Reaktionsverlauf zu erhalten. Die Grafik/Animation zeigt den Übergangszustand der Protonenübertragung von Toluol auf Trimethylamin.